Wann ist eine Burg eine Burg?

Wann ist eine Burg eine Burg?

Die Bezeichnung „Burg“

„Aufgrund der Vielfältigkeit und den großen Unterschieden im Aussehen der mittelalterlichen Baubestände (…) stellt sich die Frage, bei welchen Bauwerken, Ruinen und Standorten es sich um Burgen handelt. Betrachtet man die Teile einzeln, aus denen sich eine Burg zusammensetzt und was sie zu einer Burg macht, so ist die Antwort weit auslegbar und wird von verschiedenen Baugeschichtlern in unterschiedlichster Weise beantwortet. Lexikalisch ist eine Burg ein in sich geschlossener, bewohnbarer Wehrbau in Frühgeschichte, Antike und Mittelalter.

Eine Burg war ein befestigter Ort zum Schutz seines Innenlebens, eines Besitzes oder der Umgebung, bzw. einer Grenze. Sie lässt sich in zwei Kategorien einteilen: ein einzelnes Gebäude bzw. ein Gebäudekomplex mit äußeren Wehrelementen.

Handelt es sich um ein einzelnes Gebäude, muss dieses charakteristische Wehrelemente aufgewiesen haben, um als Burg zu gelten, z.B. einen Turm, der einen erhöhten Eingang aufwies und eventuell auf einer Motte stand oder von einem Graben umgeben war. Alternativ gibt es auch den einen oder anderen Palas, der mit der Stadtmauer verbunden war oder stark befestigte Fruchtkästen.

Bei Gebäudekomplexen oder mehreren Bauten ist die Zuordnung schwieriger. In erster Linie sind alle Burgen als Burgen zu bezeichnen, die von der allgemeinen Literatur als Burgen angesehen werden und in den vorgegebenen Jahrhunderten des Mittelalters gegründet wurden.

Die meisten Burgen bestanden aus Stein. Viele wurden anfangs aus Holz errichtet und im Laufe der Zeit ausgebaut. Hölzerne Wallburgen sind auch Burgen, die sich aufgrund ihres Alters aber in der Regel nicht urkundlich belegen lassen, also deren Geschichte sich nur schlecht rekonstruieren lässt oder nicht nachweisbar ist. Zudem sind viele Wallburgen vormittelalterlich oder können nicht genau datiert werden. Wallburgen waren meist Holzburgen und wurden weitestgehend vor dem 8. Jahrhundert errichtet. Wallburgen aus dem 7. bis 8. Jahrhundert wurden später gelegentlich wiederhergestellt. Diese neue Art der Wallburg besaß oft einen steinernen Turm auf einer Motte.

Die Wallburg war vor allem in (…) „Skandinavien“ weit verbreitet und wurde von der Bevölkerung in der Zeit der Völkerwanderung und im 12. Jahrhundert an den Küsten gegen Piraten eingesetzt. In Südwestdeutschland findet man die frühmittelalterliche Wallburg in Relation dazu eher selten.

Die Kelten haben (…) zahlreiche Wallburgen, Viereckschanzen und Rundschanzen erbaut, die teilweise Jahrhunderte hindurch genutzt wurden. In wenigen Fällen errichteten niedere Adelsgeschlechter, wie z.B. die Herren von Rotenfels (Burg Rotenfels bei Gaggenau), eine Wallburg mit Holzgebäuden und Palisaden. Diese verschwanden auch schnell wieder, wie man an dieser nicht einmal einhundert Jahre bestehenden Burg Rotenfels bei Gaggenau erkennen kann.

Burgen, die aus der Zeit des 16. Jahrhunderts stammen, sind nur bedingt zuzuordnen. Zu dieser Zeit legte man Wert auf eine repräsentative Anlage, die mehr einem Schloss glich. Gute Beispiele hierfür sind das Schloss Glatt im Glatttal, das als „Wasserschloss“ bezeichnet wird oder das Schloss Weißenstein in Lauterstein, das nur noch durch einen natürlichen Halsgraben, einem Bach, vom Rest des Berges getrennt wird und auf einem kleinen Bergsporn oberhalb des Ortes liegt.

Klosteranlagen, Wehrkirchen, Burgstädte, Kaiserpfalzen und Wasserschlösser bilden ähnlich wie die Burgen aus dem 16. Jahrhundert Grenzfälle in der Zuordnung. Bei den sakral genutzten Anlagen ist man sich bis heute uneins ob es sich um Burgen handelt.

Es lassen sich die Anlagen als Burg bezeichnen, die zunächst als Burg gegründet, aber später in ein Kloster bzw. eine Wehrkirche umgebaut wurden oder als Kloster errichtet wurden und später als Burg dienten. Die Klosteranlage bzw. Wehrkirche sollte den Ursprung im Mittelalter haben – oder falls älter – in diesem zu einer Wehranlage umgebaut worden sein. Die sakrale Anlage sollte eine geschlossene Wehrmauer, also eine Ringmauer oder Grabenanlagen aufweisen oder aufgewiesen haben. Der Bau von Türmen oder Flankierungsanlagen am Eingang sorgte für eine „befestigte Anlage“. Schießscharten aller Art sind ein sicheres Zeichen, dass das Objekt zur Abwehr nach außen diente. In Südwestdeutschland heben sich befestigte sakrale Stätten deutlich ab; eine Zuordnung ist deshalb nicht schwer. Ein erkennbares Merkmal sind Kirchturmzinnen, auf die ein spitzer Turmhelm gesetzt wurde.

Ein größeres Problem ist die sogenannte „Burgstadt“. Hier stellt sich die Frage, ob es sich um eine Stadt mit Stadtmauer oder eine Stadt in einer Burg handelt. Krahe nennt nur drei Burgstädte in Baden-Württemberg, von denen die größte drei Hektar Grundfläche aufweist. Diese sind Alt-Fridingen, Altenburg und die Schalksburg. Betrachtet man die Anlagen im Vergleich, fällt auf, dass Altenburg und Schalksburg offensichtlich keine oder nur wenige Gebäude aus Stein besaßen und eventuell Fluchtburgen waren. Alt-Fridingen hingegen lässt noch mehr als sieben Gebäude aus Stein erkennen, die an der äußeren über 250m langen Wehrmauer anlehnten.

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Wahrscheinlich entwickelten sich einige Städte aus Burgstädten heraus, was wegen der Expansionen der Städte und des Abbruchs der alten Gebäude heute nicht mehr nachvollzogen werden kann. Die Frage, wann eine Stadt oder ein Dorf eine Burgstadt war oder heute noch ist, kann nur bedingt festgelegt werden. Viele Städte (…) besaßen Stadtmauern und waren damit befestigt.

Nimmt man die drei durch Krahe festgelegten Burgstädte als Maßstab, sind die Kriterien, die eine Burgstadt definieren, leicht zu bestimmen. Eine Burgstadt hatte offenbar nicht mehr als fünf Hektar Fläche. Zudem spielte das Stadtrecht eine wichtige Rolle. Besaß der Ort Stadtrechte, kann es keine Burg mehr gewesen sein.

Ist der Name eines Burgherrn oder Burgmannes bekannt, handelt es sich um eine Burg. Problematisch ist dies bei Interessengemeinschaften, die zusammen einen Ort des Wohnens und der Zuflucht geschaffen haben, der heute einer Burgstadt gleicht. (…)

Kaiserpfalzen und Wasserschlösser sind anders zu behandeln. Die Kaiserpfalzen (…) lassen sich nahezu alle als Burgen bezeichnen, da sich zahlreiche burgtypische Wehrelemente finden. Durch ihre Weitläufigkeit und ihre Dimensionen, Beispiel ist die Kaiserpfalz Wimpfen, entsprechen diese Anlagen Burgen mit großen Freiflächen.

Schwieriger einzuordnen sind die Wasserschlösser, die durch einen meist schließenden Wasserringgraben und Ecktürme die Kriterien einer Burg erfüllen. Viele dieser Wasserschlösser besaßen eine Burganlage als Ursprung, wodurch sie ebenfalls als Burgen zu führen sind. Problematisch sind hierbei wieder die Wasserburgen und Wasserschlösser aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die in die Zeit der Entwicklung zum Schloss fallen. Die zeitliche Begrenzung ist hier wichtig. Einige Wasserschlösser haben nur einen zeitlichen Bezug zu den Kriterien, aber keinen zu einer Burg. Sie sind zwar teilweise irrelevant für das Mittelalter, weisen aber auf das Aussehen und die Wehrelemente einer Burg und auf die Standortwahl eines Adelssitzes des 16. Jahrhunderts hin.“

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